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Batı Trakya

Religiöse Autonomie

Muftis

In den drei Provinzen Thrakiens sind die Muftis (je ein Mufti) die höchsten Geistlichen der muslimischen Gemeinden. Der Mufti entspricht dem Metropoliten. Die Amtseinsetzung der Muftis wurde durch ein seit 1920 gültiges Gesetz geregelt und sah zu diesem Zweck Wahlen in den muslimischen Gemeinden vor.

Als Ende der 80er Jahre die betagten Muftis verstarben, hat die Regierung die Abhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Wahlen für die Besetzung der Muftiämter nicht erlaubt. Zunächst hat sie „obwohl gesetzlich nicht vorgeschrieben„ vorläufige "stellvertretende Muftis" ernannt. Somit wurde eine weitere demokratische Regelung in der Minderheit beseitigt.

Noch einmal wurde bewiesen, das die Gesetze nicht für die Minderheit gelten und ungesetzliche Maßnahmen jeder Art willkürlich ergriffen werden können.

Das Gesetz von 1920 wurde einige Zeit später aufgehoben und durch ein neues Gesetz ersetzt, wonach die Muftis von Gouverneuren (sprich Regierung) zu ernennen sind. Als später die gewählten Gouverneuere kamen, wurde diese Befugnis auf den ernannten Generalgouverneur übertragen. Bei der Ernennung der Muftis war die Stellungnahme einer aus Angehörigen der Minderheit bestehenden Delegation einzuholen. In Wahrheit hatte diese Delegation jedoch keine Befugnis und diente nur der Wahrung des Scheins. Die Muftis wurden in Wahrheit nach der Einholung der Stellungnahme des Nachrichtendienstes vom Außenministerium ernannt. In den inzwischen vergangenen zehn Jahren verhielten sich die Muftis wie typische und disziplinierte Beamten und haben weder das Außenministerium noch den Nachrichtendienst groß enttäuscht. Das war ja das Ziel.

In der Minderheit gilt größtenteils das Prinzip, das die Geistlichen sich mit religiösen Angelegenheiten begnügen müssen. Die immer stärker werdenden Unterdrückungs- und Diskriminierungsmaßnahmen jedoch haben in den 80er Jahren auch sie in den Kampf der Minderheit mit hineingezogen und teilweise politisiert. Die Mitwirkung der Muftis hatte einen positiven und vereinigenden Einfluß auf die Minderheit und erhöhte das Interesse von Ausländern. Die Muftiämter begannen, zum Zentrum des Kampfes der Minderheit zu werden. Die oben geschilderten Machenschaften und das antidemokratische willkürliche Vorgehen der Regierung hatte den Zweck, die Bedeutung und Rolle der Muftis zu verringern. Das gelangt der Regierung auch.

Seit über 10 Jahren ist das Problem der Muftis das größte institutionelle Problem. Die Minderheit vertritt u.a. folgende Auffassung: Die Wahl des Muftis, der der geistliche Führer der muslimischen Gemeinde ist, ausschließlich eine innere Angelegenheit der Gemeinde. Es kann nicht hingenommen werden, das der Mufti gegen ihren Willen und ohne Konsultationen mit ihr vom Staat ernannt wird. Wenn eine religiöse Gemeinde keine religiöse Autonomie hat, dann funktioniert dort die Religionsfreiheit nicht. Die grobe Verletzung der religiösen Freiheit durch Ernennung des Muftis ist offenkundig eine Unterdrückungs- und Diskriminierungsmasnahme, weil sie sich nur gegen die muslimische Gemeinde richtet. Natürlich mußte die Minderheit gegen die Aufhebung ihrer 1920 anerkannten religiösen Autonomie protestieren. Die Ernennung der Muftis führte zu einem großen Durcheinander in der Minderheit, das auch heute noch anhält. Nach den Ernennungen der Muftis wurden in der Minderheit in den 90er Jahren symbolisch Wahlen abgehalten und "alternative Muftis" gewählt, die jedoch natürlich keine offiziellen und tatsächlichen Befugnisse hatten. Durch diese Wahlen wurde lediglich bezweckt, zu betonen, das die Muftiernennung der Regierung illegal ist, dem Willen der Minderheit widerspricht und das die ernannten Muftis nicht von den Muslimen anerkannt werden. Das despotische Verständnis der griechischen Regierung konnte das nicht ertragen und die "alternative Muftis" wurden wegen "Gebrauchs der Befugnis und des Titels des Muftis" bis heute mehrmals vor Gericht gestellt und verurteilt.

Eine problematische Religionsfreiheit 

Nach griechischem Recht ist die orthodoxe Kirche befugt, über die anderen religiösen Gemeinden zu herrschen. Es hängt von der Genehmigung des örtlichen "orthodoxen" Metropoliten ab, das nicht-orthodoxe religiöse Gemeinden eine Gebetsstätte öffnen und unterhalten. Das Verfahren für die Baugenehmigung für eine neue Gebetsstätte ist ein lange Jahre währendes Abenteuer; die Akte wechselt ständig zwischen den Behörden und der Kirche, wird geändert und zum Schluß wird die Genehmigung in der Regel nicht erteilt.

Das Oberverwaltungsgericht hat zwar beschlossen, das die Befugnis der Kirche nicht die Genehmigungserteilung, sondern lediglich die Stellungnahme umfaßt; in der Praxis jedoch kann keine religiöse Gemeinde ohne die Zustimmung der orthodoxen Kirche eine Gebetsstätte öffnen. In Athen gibt es keine Moschee. Botschafter der arabischen Staaten haben die Initiative, für die Moslime in Athen eine Moschee zu bauen, ergriffen. Der entsprechende Antrag wartet jedoch trotz gelegentlicher Erklärungen von Regierungsvertretern seit Jahren auf Genehmigung, weil die Kirche sich dagegen stellt.

In Thrakien verfügt die muslimische Gemeinde über Moscheen und Gebetsstätten aus der Osmanischen Zeit in ausreichender Zahl. Das Problem liegt darin, das einige von ihnen der Instandsetzung bedürfen, die nicht ohne weiteres vorgenommen werden kann.

Anfang 1997 wurden die Genehmigungen für die Instandsetzung der Moscheen in den Dörfern Kimmeria und Pelekiti endlich erteilt. Als die Instandsetzungsarbeiten begannen, wurden die Höhe der Minaretten (18 Meter) und einige weitere Einzelheiten von der Kirche zu einem sehr wichtigen Problem gemacht. Die Kirche behauptete, sie habe diese Einzelheiten nicht genehmigt, sei irregeführt worden und die Genehmigungen seien nichtig. Kirchenkreise, örtliche Medien und Metropoliten behaupteten, die Höhe von 18 Metern sei eine Provokation und Impertinenz gegen die Kirche, riefen mit anderen provokativen Behauptungen die Christen zum Widerstand auf. Da die Regierung diesmal Vorkehrungen getroffen hatte, kam es nicht zu neuen Pogromen gegen die Minderheit. Sie beherzigte jedoch die Behauptungen der Kirche und der fanatischen Kreise und ordnete an, da die Instandsetzungsarbeiten in der Moschee von Kimmeria gestoppt und die Minaretten niedriger gebaut werden. Die Bauarbeiter und die Dorfvorsteher wurden vor Gericht gestellt und verurteilt. In den inzwischen vergangenen 8 Monaten waren die Einwohner von Kimmeria ohne Moschee und mußten in einem Supermarket ihre Gebete verrichten. In der letzten Septemberwoche von 1997 wurde mitgeteilt, das die Instandsetzungsarbeiten wieder aufgenommen werden könnten. Bis zur Beendigung der Instandsetzungsarbeiten jedoch können kirchliche Kreise jederzeit Unruhen entfachen.

Stiftungen

Nach der alten islamischen Tradition ist die Stiftung eine religiöse Wohltätigkeitsinstitution und besteht aus von Muslimen gestifteten Grundstücken. Ihre Einnahmen werden zur Deckung der Bedürfnisse der Minderheit in den Bereichen Religion und Bildung verwendet. Die Stiftungen sind die finanzielle Grundlage des Gemeindelebens der Minderheit und von vitaler Bedeutung.

• Mit dem Wort Stiftung sind die der muslimischen türkischen Gemeinde gehörenden und vor allem in thrakischen Städten befindlichen Moscheen und Schulen der Minderheit sowie diverse gestiftete Grundstücke zur Deckung ihrer Betriebskosten gemeint. (Jedes Dorf der Minderheit eine eigene kleine Stiftung, deren Status etwas anders ist). Die Stiftungen wurden vor dem Putsch von 1967 „wie in der Verfassung vorgeschrieben„ durch Kuratorien verwaltet, die bei den alle 4 Jahre abgehaltenen Wahlen gewählt wurden. Das war ein demokratisches Verfahren und hat gewährleistet, das die Stiftungen entsprechend dem Willen und den Interessen der Minderheit genutzt und entwickelt werden. Seit 1967 jedoch ist nicht mehr klar, welche Regeln für die Verwaltung der Stiftungen gelten. Sie sind funktionsfähig und in einem Auflösungsprozeß begriffen.

• Als 1967 die Junta die Macht übernahm, entließ sie die gewählten Kuratorien der Stiftungen und beauftragte neue Kuratorien. Als 1974 das demokratische Regime erneut errichtet wurde, wurden die von der Junta eingesetzten Kuratorien aller Organisationen und Vereine in Griechenland entlassen und „wie gesetzlich vorgeschrieben„ neue gewählt. Die einzige Ausnahme waren die Stiftungen der Minderheit und das blieb bis heute unverändert.

• Obwohl das entsprechende Gesetz in Kraft ist, erlauben die griechischen Regierungen seit 23 Jahren die Wahl der Kuratorien nicht. Inzwischen sind alle Mitglieder der von der Junta eingesetzten Kuratorien verstorben. Im Kuratorium von Xanthi gibt es nur ein Mitglied. Die Kuratorien von Alexandroupolis und Dimoteka sind längst aufgelöst. Angesichts der fehlenden Verwaltung und Aufsicht verringerten sich die Einnahmen der Stiftungen und ihr Vermögen wurde ausgenutzt und verschleudert, so das sie heute über weniger Immobilien verfügen. Dieser Umstand verhinderte natürlich auch, das Angehörige der Minderheit Grundstücke stiften.

• Im Jahre 1979 wurde ein neues Gesetz über die Stiftungen verabschiedet, das durch komplizierte Verfahren, die man hier aus Platzgründen (Zeitgründen) nicht erläutern kann, die Funktionsunfähigkeit und Auflösung der Stiftungen zu "legalisieren" versuchte. Wegen heftiger Reaktionen der Minderheit konnte das Gesetz nicht durchgeführt werden, ist aber noch immer in Kraft. Die Stiftungen der türkischen Minderheit werden zusammenfassend mal von eingesetzten Kuratorien, mal nur von einer Person, manchmal von ernannten Muftis und manchmal lange Zeit ohne einen Verwalter von ein paar Beamten aber in Wahrheit von Dienststellen des Außenministeriums verwaltet.

• Ein 1997 in Kraft getretenes Steuergesetz sieht die Besteuerung der von Immobilien erzielten Einnahmen der religiösen Gemeinden vor. Die orthodoxe Kirche protestierte gegen dieses Gesetz. Daraufhin wurden zwischen den Vertretern der Kirche und der Regierung Verhandlungen mit dem Ziel einer Einigung in der Steuerfrage durchgeführt. Die katholische Gemeinde hat mit Hinweis darauf, das sie im Gegensatz zur orthodoxen Kirche eine kleine und mittellose Kirche sei und nicht einmal die Betriebskosten begleichen könne, die Besteuerung als ungerecht und diskriminierend bezeichnet und erklärte, das sie sich an den Europäischen Gerichtshof wenden würde. Die mit der Verwaltung des unbeweglichen Vermögens der muslimischen Gemeinde in Thrakien beauftragten und vom Staat ernannten Muftis und Stiftungsverwalter haben keinen Einspruch gegen die Besteuerung eingelegt, als ob sie zeigen wollten, welch disziplinierte Beamten sie sind.

Die Steuerbefreiung für unbewegliches Vermögen der religiösen Gemeinden als Wohltätigkeitsvereine gilt seit 20 Jahren nicht für die Stiftungen der muslimischen Gemeinde. In vielen Fragen, Praktiken und Vorschriften in Bezug auf die Minderheit wird auf Gegenseitigkeit berufen. Es ist jedoch nicht möglich, das nachzuprüfen.